Parietale Osteopathie

Andrey T. Still war in den USA ein sogenannter „Bonesetter“. Er beschäftigte sich als Laienmediziner zusätzlich mit alternativen Heilmethoden wie Magnetismus, Heilsitzungen und anderen Verfahren. Er hatte ein schnelle Auffassungsgabe und studierte bereits früh Anatomiebücher und war sehr an komplexen Zusammenhängen des Körpers interessiert. Er beginnt sehr früh das Vertrauen in die klassische Medizin zu verlieren und zweifelt den Sinn der Medikamentenmedizin an. Für ihn ist der Mensch die „Apotheke des Schöpfers“. Still beginnt also seine eigene Methode zu entwickeln, wobei die Hände das therapeutische und diagnostische Werkzeug darstellen. Durch den Verlust seiner Kinder bei einer Meningitis-Epidemie verliert er komplett den Anschluss zur klassischen Medizin. Nach vielen Jahren der Armut und diverser Erniedrigungen gelingt es ihm sich niederzulassen und eine Schule zu gründen. Er nennt seine neue Methode „Osteopathie“.

Still fand heraus, dass bereits kleine Knochenfehlstellungen (Läsionen genannt) zu Beeinträchtigungen von Nerven und Gefäßen führen kann. Einen zentralen Punkt spielt für ihn die Wirbelsäule, da gerade hier osteopathische Läsionen zu diversen neurologischen und vaskulären Versorgungsstörungen führen können. Auch kommt es aus seiner Sicht zu Zirkulationsstörungen der Lymphflüssigkeit. Eine solche Zirkulationsstörung sorgt für eine gestörte Selbstheilung im entsprechenden Gebiet und bildet die Grundlage für diverse Beschwerden oder Erkrankungen.

Still sieht den Osteopathen als Mechaniker, dessen Therapie am Bewegungsapparat ansetzt, Gewebe entspannt und eine freie Flüssigkeitszirkulation ermöglicht. Somit schafft er die Grundlage für Selbstheilung und Regeneration des Organismus.

John Martin Littlejohn ist begeisterter Schüler von Andrew T. Still. Er ist medizinisch gebildet und beendet auf Grund seiner Begeisterung seine akademische Karriere in Schottland, um an der Seite von Still die Osteopathie zu erlernen. In den Folgejahren hebt Littlejohn Stills Konzept der Osteopathie auf höchstes wissenschaftliches Niveau an und entwickelt zahlreiche biomechanische Modelle, welche den Schülern der Osteopathie bis heute als Grundlage dienen sollen. Außerdem bringt er den psychosomatischen Effekt in die Osteopathie ein. Somit können rein körperliche Läsionen ihren Ursprung auch in der Psyche haben und umgekehrt. Littlejohn stellt das Konzept als erster in Deutschland, England und Frankreich vor und gründet die erste englische Osteopathieschule.

Heute werden im Bereich der parietalen Osteopathie zahlreiche Techniken gelehrt, um dem Osteopathen einen umfangreichen „Werkzeugkoffer“ in die Hand zu geben. Damit sollen Patienten mit intensiver oder aber mit sehr feiner Art und Weise am Bewegungsapparat behandelt werden. Techniken wie Muskel-Energie-Techniken (MET), Gelenkmanipulationen oder Faszientherapie bilden das Grundgerüst der parietalen Osteopathie.

 

Quelle: Langer, Hebgen (2014) . Lehrbuch Osteopathie . Haug Verlag